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PFAS in Deutschland und der Europäischen Union - ein rechtlicher Überblick

13. Mai 2025

Perfluorierte und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind eine große Gruppe von industriellen Chemikalien, die in der Natur nicht vorkommen. Sie sind wasser- und fettabweisend sowie sehr langlebig, weshalb sie oft als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet werden und seit Jahrzehnten in vielen Industriezweigen und Verbraucherprodukten wie Kochgeschirr und Kleidung verwendet werden.

Die Auswirkungen von PFAS auf die Umwelt sind ein globales Problem, da diese persistenten Chemikalien in Boden, Wasser, Luft und sogar in entlegenen Gebieten wie der Arktis und der Tiefsee nachgewiesen wurden. PFAS können sowohl über direkte als auch indirekte Wege in die Umwelt gelangen, die mit industriellen Aktivitäten und dem täglichen Gebrauch von Produkten zusammenhängen. Zu Beispielen für direkte Freisetzungen gehören Emissionen von PFAS bei der Herstellung, die Verwendung von Feuerlöschschäumen an Flughäfen und Militärstandorten sowie die Ausbringung von kontaminiertem Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen. Aufgrund ihrer extremen Persistenz und Mobilität reichern sich PFAS in Ökosystemen und lebenden Organismen an und tragen so zu weitreichenden und langfristigen Umweltauswirkungen bei.

Rechtliche Regulierung von PFAS in Deutschland und der Europäischen Union

Als Reaktion auf die oben genannten Eigenschaften von PFAS haben sowohl die Europäische Union (EU) als auch Deutschland umfassende Regulierungsmaßnahmen verabschiedet, die darauf abzielen, die mit der “Ewigkeitschemikalie” verbundenen Risiken zu minimieren.

Die regulatorischen Entwicklungen sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene spiegeln ein klares Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip im Umgang mit Chemikalien wider. Durch weitreichende Beschränkungen und strenge Durchsetzungsmechanismen wollen die Behörden die Freisetzung persistenter PFAS-Verbindungen in die Umwelt langfristig deutlich reduzieren.

Europäische Union

Im Rahmen ihrer Chemikalienpolitik hat die EU schrittweise Beschränkungen für die Herstellung und Verwendung bestimmter PFAS eingeführt, insbesondere für Perfluoroctansulfonsäure und ihre Derivate (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA). Viele PFAS wurden aufgrund ihrer persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften gemäß der EU REACH-Verordnung[1] als besonders besorgniserregende Stoffe (Substances of very high concern - SVHC) eingestuft. Im Jahr 2024 wurde eine spezifische Beschränkung für Undecafluorhexansäure (PFHxA), ihre Salze und verwandte Stoffe, die ab April 2026 zu Beschränkungen führt, verabschiedet.

Derzeit wird auf europäischer Ebene auch ein umfassenderes Verbot der Verwendung von PFAS in Verbraucherprodukten diskutiert. Neben einem vollständigen oder schrittweisen Verbot erwägen die Regulierungsbehörden flexible Beschränkungen für Sektoren im industriellen Kontext, wie Batterien und Halbleiter, in denen es keine unmittelbaren Alternativen oder Ersatzstoffe gibt. Endgültige Stellungnahmen werden bis 2025 erwartet, danach wird die Europäische Kommission hinsichtlich finaler PFAS-Restriktionen unter der REACH-Verordnung entscheiden, basierend auf der Empfehlung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Ihr Ziel bleibt klar: die Minimierung der PFAS-Emissionen, um die Gesundheit und Umwelt zu schützen, ohne wichtige Technologien zu behindern.

Auch nimmt die EU zunehmend die Regulierung von PFAS in Lebensmitteln und Trinkwasser ins Visier. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für das Jahr 2020 bestimmte Grenzwerte für PFAS in Lebensmitteln festgelegt. Der EFSA zufolge sind PFAS vor allem in Fisch, Obst und Eiern zu finden. Die Grenzwerte wurden auch in die EU-Verordnung über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln[2] aufgenommen.

Im Jahr 2021 wurden in der EU-Trinkwasserrichtlinie[3], die anschließend von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, verbindliche Höchstkonzentrationen für PFAS im Trinkwasser festgelegt.

Deutschland

Deutschland hat die Anforderungen der EU-Trinkwasserrichtlinie durch eine Neufassung der Trinkwasserverordnung in nationales Recht umgesetzt. Die festgelegten Grenzwerte werden ab Januar 2026 rechtsverbindlich.

Darüber hinaus wurde die Chemikalien-Sanktionsverordnung umfassend überarbeitet. In der neuen Fassung, die seit Januar 2025 in Kraft ist, werden sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen PFAS-bezogene europäische Vorschriften eingeführt. Insbesondere können auch fahrlässige Überschreitungen von Grenzwerten strafrechtlich verfolgt werden.

Umwelt- und Gesundheitsrelevanz von PFAS

Die weitverbreitete Verwendung von PFAS in Industrie- und Konsumgütern hat zu erheblichen Bedenken hinsichtlich der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit geführt. In der gesamten EU wird das Vorhandensein von PFAS in der Umwelt inzwischen als bedeutendes Umweltproblem anerkannt. Im Jahr 2023 wurde in einer gemeinsamen Untersuchung an fast 21.500 Standorten in ganz Europa eine potenzielle Kontamination aufgrund aktueller oder historischer industrieller Aktivitäten festgestellt, zusätzlich zu den 23.000 bereits identifizierten kontaminierten Standorten.

Aufgrund ihrer Persistenz kann die Sanierung komplex und kostspielig sein: Eine Studie schätzt allein die Sanierung des EU-weiten Vorkommens von PFAS auf ca. 17 Milliarden US-Dollar. Die Sanierung kommt daher nur sehr langsam voran; bisher wurden weniger als 1 % der Verdachtsfälle auf PFAS in der Umwelt in Deutschland erfolgreich saniert.

Einer dieser Fälle betraf die weit verbreitete PFAS-Kontamination des Trinkwassers nach der Verwendung von Düngemitteln, die PFAS-kontaminierten Papierschlamm enthielten. Bis heute haben sich die Kosten für Sanierungsmaßnahmen auf über 24 Millionen Euro summiert. Industrie und Behörden können aus den Erfahrungen in diesem Fall lernen und die Informationen nutzen, um sich auf die Sanierung von PFAS-Belastungen in der Zukunft vorzubereiten.

Haftungsrisiken durch PFAS nach deutschem und europäischem Recht

Aufgrund der potenziellen Auswirkungen von PFAS auf die Umwelt und die Gesundheit sind Unternehmen, die an der Herstellung oder Verwendung von PFAS beteiligt sind, sowohl im deutschen als auch im europäischen Rechtsrahmen mit vielfältigen Haftungsrisiken konfrontiert. Diese Risiken umfassen das Zivil-, Verwaltungs-, Umwelt- und sogar das Strafrecht.

Zivilrecht und Produkthaftung

Gemäß §§ 823 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) können Unternehmen für Schäden haftbar gemacht werden, die durch rechtswidrige PFAS-Emissionen entstehen und geschützte Rechtsgüter wie Gesundheit, Eigentum oder Umweltgüter beeinträchtigen. Dies umfasst sowohl direkte Schäden als auch Folgeschäden (z.B. landwirtschaftliche Verluste, Wertminderung von Immobilien). Das Umwelthaftungsgesetz sieht eine verschuldensunabhängige Haftung für Umwelteinwirkungen vor, die durch bestimmte Anlagen verursacht werden.

Darüber hinaus haften Hersteller nach dem deutschen Produkthaftungsgesetz und der EU-Produkthaftungsrichtlinie[4] verschuldensunabhängig für Schäden, die durch fehlerhafte PFAS-haltige Produkte verursacht werden. Diese Haftung erstreckt sich auch auf Altprodukte, deren potenzielle Risiken erst nach dem Inverkehrbringen erkennbar wurden.

Die EU-Richtlinie über Verbandsklagen[5] harmonisiert die Verfahren für Sammelklagen in den Mitgliedstaaten und gibt Verbraucherorganisationen die Möglichkeit, auf nationaler und grenzüberschreitender Ebene Rechtsmittel einzulegen und gleichzeitig Verfahrensgarantien zu wahren. Sie wurde mit dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz in deutsches Recht umgesetzt und kann kollektive Rechtsschutzmechanismen in PFAS-bezogenen Fällen weiter erleichtern.

Strafrechtliche und regulatorische Haftung

Nach dem Strafgesetzbuch (StGB) können PFAS-bezogene Vergehen Umweltstraftaten darstellen, z.B. bei unerlaubter Verunreinigung von Wasser und Boden. Wie bereits erwähnt, sieht auch die 2025 geänderte Chemikalien-Sanktionsverordnung Bußgelder und strafrechtliche Sanktionen bei fahrlässiger oder vorsätzlicher Verletzung PFAS-bezogener Pflichten, einschließlich der Überschreitung von Grenzwerten, vor.

Verwaltungsrechtliche Haftung für die Sanierung

Umweltbehörden können nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz Sanierungsmaßnahmen anordnen, vorbeugende Maßnahmen verlangen oder Sanierungskosten einfordern. Diese Verpflichtungen können verschuldensunabhängig auferlegt werden und gelten rückwirkend sowohl für aktuelle als auch für ehemalige Standortbetreiber oder Grundstückseigentümer.

Die EU-Umwelthaftungsrichtlinie[6], die durch das Umweltschadensgesetz in deutsches Recht umgesetzt wurde, sieht eine verschuldensunabhängige Haftung für erhebliche Umweltschäden vor, die durch gewerbliche Tätigkeiten mit gefährlichen Stoffen, einschließlich PFAS, verursacht werden. Die Betreiber können verpflichtet werden, umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchzuführen und zu finanzieren, insbesondere wenn geschützte Arten, Lebensräume oder Wasserressourcen betroffen sind.

Zunahme von Umweltrechtsstreitigkeiten

In den letzten Jahren haben die Umweltauswirkungen von PFAS und ihre Risiken zunehmend die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In diesem Zusammenhang hat die Zahl der Umweltrechtsstreitigkeiten in Europa und weltweit erheblich zugenommen. Im Dezember 2023 entschied der Oberste Gerichtshof Schwedens, dass Anwohner, die hohen PFAS-Werten im Trinkwasser ausgesetzt waren, eine Körperverletzung erlitten haben, die sie zu einer Entschädigung berechtigt, unabhängig von konkreten Krankheitssymptomen. Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Präzedenzfall für künftige PFAS-bezogene Klagen in Europa dar. Weitere Fälle wurden in Italien, Frankreich und Deutschland entschieden oder sind noch nicht abgeschlossen.

Diese Fälle spiegeln einen breiteren Trend in Europa wider, wo PFAS-Prozesse unter dem Einfluss des öffentlichen Bewusstseins und der behördlichen Kontrolle an Dynamik gewinnen. Weitere Rechtsstreitigkeiten gegen aktuelle und frühere Verursacher sind wahrscheinlich, da die Behörden und die Betroffenen weiterhin die Verantwortung für PFAS-bedingte Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen suchen werden.

Fazit und Ausblick

Die Erfahrungen Europas mit PFAS zeigen, wie dringend notwendig eine umfassende Regulierung von Chemikalien, eine transparente Risikokommunikation und eine langfristige Umweltsanierung sind. PFAS stellen eine der komplexesten chemischen Herausforderungen dar, mit denen wir derzeit konfrontiert sind. PFAS-bedingte Haftungen nach deutschem und EU-Recht sind umfangreich, komplex und entwickeln sich ständig weiter. Die Unternehmen sind erheblichen zivilrechtlichen Ansprüchen, verwaltungsrechtlichen Durchsetzungsmaßnahmen, Sanierungsverpflichtungen und strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt.

Gleichzeitig wird jedoch weiterhin auch die entscheidende Rolle der Chemikalie in der Industrie wahrgenommen. Dies zeigt sich schließlich auch im aktuellen Koalitionsvertrag der 21. Legislaturperiode zwischen CDU/CSU und SPD, wonach ein Totalverbot von PFAS abgelehnt und auf eine risikobasierte Regulierung im Rahmen der Überarbeitung der europäischen REACH-Verordnung gesetzt werden soll. Der Fokus soll vor allem auf die Forschung und Entwicklung von gleichwertigen PFAS-Alternativen gelegt werden. Inwiefern das Vorhaben der Bundesregierung die Regulierung auch auf EU-Ebene vorantreibt und welche Konsequenzen daraus für die Unternehmen gezogen werden müssen, bleibt dabei abzuwarten.

Angesichts der laufenden Regulierungsinitiativen der EU und der zunehmenden Zahl von Rechtsstreitigkeiten ist Unternehmen nichtsdestotrotz zu raten, sich bereits heute um eine zuverlässige Einhaltung der geltenden Umweltvorschriften bzw. ein Monitoring neuer rechtlicher Entwicklungen, eine interne Risikobewertung und eine rechtliche Due-Diligence-Prüfung zu bemühen, um langfristig rechtliche und finanzielle Folgen abzumildern.

ANSPRECHPARTNER

Bei Fragen oder für weitere Informationen zu den hier behandelten Themen stehen Ihnen folgende Ansprechpartner gerne zur Verfügung:


[1] Commission Regulation (EU) 2023/915

[2] Directive (EU) 2020/2184

[3] Directive (EU) 2024/2853, formerly Directive 85/374/EEC; the German Product Liability Act is currently based on the former Directive and has to be adapted to implement the new Directive as of 9 December 2026.

[4] Directive (EU) 2020/1828

[5] Directive (EU) 2004/35/EC