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Änderungen im Arbeitsrecht durch die neue Bundesregierung

Legal Insights Germany

13. Mai 2025

Der Deutsche Bundestag hat Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler gewählt. Die Regierung steht und kann die Arbeit aufnehmen. Maßgebliche Leitplanken für die Legislaturperiode haben CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir stellen die wichtigsten Pläne der Koalitionspartner zum Arbeitsrecht vor.

Mindestlohn

Der Mindestlohn soll – wie nach § 1 Abs. 2 MiLoG vorgesehen – anhand von Vorschlägen einer Mindestlohnkommission erhöht werden. Bislang trifft die Kommission Entscheidungen über die Höhe des Mindestlohns anhand einer Gesamtabwägung und orientiert sich hierfür an der Tarifentwicklung (§ 9 Abs. 2 MiLoG); künftig soll sich die Kommission auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns orientieren. Auf diese Weise halten die Koalitionspartner einen Mindestlohn in Höhe von 15 Euro pro Stunde im Jahr 2026 für möglich. Steigt der Mindestlohn, erhöht sich auch die Grenze für geringfügige Beschäftigungen (§ 8 SGB IV).

Tariftreuegesetz

Die Bundesregierung will die Bindung an Tarifverträge stärken. Dies soll durch ein Bundestariftreuegesetz erreicht werden. Öffentliche Vergaben des Bundes sollen hiernach nur an Unternehmen möglich sein, die Tariflöhne beachten. Das Gesetz soll grundsätzlich für Vergaben ab einem Volumen von 50.000 Euro gelten. Ausnahmen sollen für Startups „mit innovativen Leistungen“ in den ersten vier Jahren nach Gründung gelten.

Höchstarbeitszeit

Die Koalitionspartner wollen eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit ermöglichen. Nach derzeit geltendem Recht darf die werktägliche Arbeitszeit von Arbeitnehmern acht Stunden nicht überschreiten (§ 3 S. 1 ArbZG). Die Arbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden täglich ausgedehnt werden, wenn in einem Vergleichszeitraum von sechs Kalendermonaten oder von 24 Wochen ein Schnitt von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten wird (§ 3 S. 2 ArbZG). Arbeitstage von mehr als zehn Stunden sind damit bislang grundsätzlich unzulässig. Aus dem Koalitionsvertrag gehen Details indes nicht hervor. Dies wird insbesondere die Frage betreffen, unter welchen Umständen die Vertragsparteien längere Arbeitszeiten vereinbaren können. Nach wie vor wird die Ruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen zu beachten sein (§ 5 Abs. 1 ArbZG). Gleiches gilt für Pausen. Hiernach könnten künftig an einzelnen Tagen Arbeitszeiten von mehr als 12 Stunden möglich sein.

Steuerfreie Überstundenzuschläge

Zuschläge für Überstunden sollen steuerfrei werden. Der breite Effekt einer solchen Steuerfreiheit darf allerdings bezweifelt werden. Zunächst soll nicht die gesamte Überstundenvergütung steuerfrei gestellt werden, sondern nur Überstundenzuschläge.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer verdient 20 Euro pro Stunde. Jede geleistete Überstunde wird vergütet; zusätzlich zum Stundenlohn von 20 Euro erhält der Arbeitnehmer einen Zuschlag von 5 Euro. Hat der Arbeitnehmer in einem Monat zehn Überstunden geleistet, erhält er hierfür 250 Euro – 200 Euro Lohn, 50 Euro Zuschlag. Steuerfrei soll nach dem Koalitionsvertrag nur der Zuschlag (50 Euro) werden, nicht aber die gesamte Vergütung.

In vielen Branchen sind derartige Überstundenzuschläge unüblich oder jedenfalls verhältnismäßig gering. Zudem soll die Steuerfreiheit erst greifen, wenn die Überstunden über Vollzeitarbeit – also 34 Stunden im Tarifbereich, im Übrigen 40 Stunden – hinausgehen. Fraglich ist folglich, ob Teilzeitkräfte von der geplanten Regelung überhaupt oder gegebenenfalls nur in geringerem Maße profitieren werden.

Betriebliche Mitbestimmung

Betriebliche Mitbestimmung soll „weiterentwickelt“ werden. Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen sollen künftig auch online abgehalten werden können, Wahlen im Betrieb sollen auch online möglich werden.

Arbeitszeiterfassung

Erwartbar waren Pläne für eine Arbeitszeiterfassung. Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit der Mitarbeiter zu erfassen (Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21). Diese Pflicht ist im Arbeitszeitgesetz zwar nicht verankert; das BAG hat diese Verpflichtung aber aus den grundlegenden Pflichten des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz hergeleitet (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG). Wie weit diese Pflicht reicht, ist derzeit unklar. Dies betrifft etwa die Frage, in welchem Umfang die Arbeitszeiterfassung auf die Arbeitnehmer selbst übertragen werden kann, in welcher Form und in welchem Intervall die Erfassung erfolgen muss und wie der Arbeitgeber die Dokumentation überprüfen muss.

Die Koalitionspartner wollen eine „Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeit unbürokratisch regeln“. Für kleine und mittlere Unternehmen sollen Übergangsfristen gelten. Vertrauensarbeitszeit soll weiter möglich bleiben. Diese Ziele sind zwar grundsätzlich zu begrüßen; die genaue Umsetzung bleibt allerdings unklar.

Abbau von Schriftformerfordernissen

Schriftformerfordernisse im Arbeitsrecht sollen abgebaut werden. Bereits die letzte Bundesregierung hatte mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz mehrere arbeitsrechtliche Schriftformerfordernisse abgeschafft – etwa im Nachweisgesetz. Digitale Arbeitsverträge sind nunmehr bereits möglich. Eine Ausnahme bilden bislang noch befristete Arbeitsverträge; diese unterliegen nach wie vor der Schriftform, müssen also handschriftlich unterzeichnet werden (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Nach dem Koalitionsvertrag soll auch dieses Erfordernis abgeschafft werden.

Befristete Studenten-Jobs

Schließlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir schaffen eine Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), die Arbeitsverhältnisse während eines Studiums vom Anschlussverbot ausnimmt.“ Hintergrund ist § 14 Abs. 2 TzBfG. Danach können Arbeitsverhältnisse für eine Dauer bis zu zwei Jahren auch dann befristet werden, wenn kein sachlicher Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) für diese Befristung vorliegt. War ein Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund bereits bei einem Arbeitgeber beschäftigt, kommt eine nochmalige Befristung zu einem späteren Zeitpunkt ohne sachlichen Grund allerding nicht mehr in Betracht (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG). Der Programmsatz im Koalitionsvertrag steht unter dem Titel „Karrierewege in der Wissenschaft“. Dass die Lockerung des Anschlussverbotes indes nur für Stellen in der Wissenschaft gelten solle, lässt sich dem Koalitionsvertrag nicht eindeutig entnehmen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie und wann sowie mit welchen genauen Inhalten die Koalitionspartner die arbeitsrechtlichen Pläne umsetzen werden. Ebenfalls abzuwarten bleibt, inwieweit die Pläne der Bundesregierung tatsächlich ohne weitere Bürokratie durchsetzbar sind – dies betrifft insbesondere Fragestellungen hinsichtlich der Arbeitszeit.

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